Polyneuropathie bei Diabetes
Diabetische Neuropathie – was ist das?
Diabetes mellitus kann zu Schäden an den Nerven führen. Mediziner sprechen dann von einer diabetischen Neuropathie (Nervenerkrankung). In Abhängigkeit davon, welche Nerven betroffen sind, werden mehrere Formen unterschieden. Diese können jeweils verschiedene Beschwerdemuster hervorrufen. Eine besonders gefürchtete Folge der diabetischen Nervenschäden ist der diabetische Fuß.
Diabetische Polyneuropathie: Ursachen
Im Zusammenhang mit diabetischen Nervenschäden verwenden Mediziner häufig auch den Fachbegriff „diabetische Polyneuropathie. Damit wird verdeutlicht, dass nicht einzelne, sondern viele (= poly) Nerven geschädigt sind. Als primäre Ursache ist ein schlecht eingestellter Blutzucker zu nennen. Er führt zu krankhaften Veränderungen an den kleinsten Blutgefäßen (Mikroangiopathie), die Schäden an den Nervenzellen nach sich ziehen. Zudem bewirkt ein erhöhter Blutzuckerspiegel auch, dass bestimmte Nährstoffe, darunter Vitamin B1 (Thiamin), vermehrt mit dem Urin ausgeschieden werden. Ein Mangel an Vitamin B kann die Entwicklung von Nervenproblemen fördern oder verstärken.
Je länger eine Diabeteserkrankung besteht und je schlechter der Blutzucker eingestellt ist, desto höher ist das Risiko, an einer diabetischen Nervenstörung zu erkranken. Rauchen, ein erhöhter Alkoholkonsum, Übergewicht, Bluthochdruck und erhöhte Fettwerte im Blut wirken sich ebenfalls negativ aus.
Formen & Symptome
In Abhängigkeit davon, welche Nerven betroffen sind, unterscheidet man zwei Formen der diabetischen Polyneuropathie:
- Bei der sensomotorischen diabetischen Polyneuropathie sind vor allem die Nerven in den Füßen und Beinen (z. T. auch in den Händen und Armen) betroffen.
- Liegt eine autonome diabetische Polyneuropathie vor, sind die Nerven geschädigt, die die Funktion innerer Organe steuern.
Die Nervenerkrankung hat viele Gesichter: Je nachdem, welche Nerven betroffen sind und wie stark die Schädigungen ausgeprägt sind, kann es zu einer Bandbreite verschiedener Symptome kommen. Vor allem zu Beginn kann die Erkrankung aber auch ohne Symptome verlaufen. Da die Betroffenen dann keine Beschwerden haben, bemerken sie oft gar nicht, dass etwas nicht stimmt.
Sensomotorische Polyneuropathie
Welche Nerven sind betroffen?
Empfindungs- und Bewegungsnerven, besonders in den Füßen und Unterschenkeln, seltener auch in den Armen und Händen
Typische Anzeichen
- Kribbeln („Ameisenlaufen“)
- Brennende Schmerzen (Burning-Feet-Syndrom)
- Taubheitsgefühl
- Missempfindungen (z. B. das Gefühl kalter Füße, obwohl sie tatsächlich warm sind)
- Schmerzen (vor allem in Ruhe oder nachts)
- Verringertes Schmerzempfinden (Verletzungen werden spät oder gar nicht bemerkt)
- Schlecht heilende Fußwunden und Geschwüre
- Gestörtes Temperaturempfinden
- Muskelschwäche
- Unsicherheiten beim Gehen (wie auf Watte)
- Es kann zu unbemerkten Knochenbrüchen im Fußskelett kommen (Charcot-Fuß)
Gut zu wissen: Die sensomotorische diabetische Polyneuropathie ist in 85-90 Prozent der Fälle an der Entstehung des diabetischen Fußsyndroms beteiligt. Damit ist sie der zentrale Risikofaktor für die Entwicklung von schlecht heilenden Wunden (Fußulzera) und die Notwendigkeit von Amputationen.
Autonome Polyneuropathie
Welche Nerven sind betroffen?
Nerven, die die Funktion innerer Organe (z. B. Herz, Verdauungstrakt) steuern
Typische Anzeichen
- Herzrhythmusstörungen, verminderte Belastbarkeit, Schwindel
- Störungen der Magenentleerung, Verstopfung, Durchfall, Gallensteine, Sodbrennen
- Störungen der Blasenfunktion
- Sexuelle Funktionsstörungen
- Störungen der Schweiß- und Talgproduktion
- Trockene Haut an den Füßen
- etc.
Behandlung bei diabetischer Neuropathie:
Ist eine diabetische Neuropathie heilbar?
Die diabetische Neuropathie ist leider nicht heilbar. Durch eine frühzeitige Behandlung kann man jedoch einer Verschlimmerung entgegen wirken und so auch dazu beitragen, dass Amputation verhindert werden können. Wichtig ist, dass das Problem möglichst frühzeitig erkannt wird – dann kann man noch am besten gegensteuern.
Ein zentraler Bestandteil der Basistherapie bei diabetischen Nervenschädigungen ist immer eine gute Einstellung des Blutzuckerspiegels. Auf diese Weise kann einem Fortschreiten der Nervenschädigungen vorgebeugt werden. Außerdem sollten alle Einflüsse gemieden werden, die zu einer Verschlimmerung beitragen können.
Betroffene sollten daher…
- … mit dem Rauchen aufhören. Tabakrauch schädigt die Blutgefäße, sodass die Versorgung der Nerven beeinträchtigt wird.
- …kaum oder keinen Alkohol trinken. Er wirkt als Nervengift und kann Nervenstörungen auslösen oder verschlimmern.
- …Übergewicht abbauen. Vor allem das Bauchfett hat negative Auswirkungen.
- …neben den Blutzuckerwerten auch die Blutfett- und Blutdruckwerte regelmäßig beim Arzt kontrollieren lassen.
Zusätzlich können in Abhängigkeit der bestehenden Symptome weitere Behandlungsmaßnahmen infrage kommen, um bestehende Beschwerden zu lindern. Teilen Sie Ihrem Arzt daher unbedingt mit, wenn Sie Auffälligkeiten feststellen.
Hilfe bei Schäden der Empfindungs– und Bewegungsnerven
Sind infolge der diabetischen Neuropathie die Empfindungs- und Bewegungsnerven geschädigt (sensomotorische Polyneuropathie), können verschiedene Therapiemaßnahmen in Erwägung gezogen werden. Falls Schmerzen auftreten, können diese mit geeigneten rezeptfreien oder rezeptpflichtigen Schmerzmitteln (z. B. Paracetamol, Opioide) gelindert werden. Unter Umständen kann der Arzt auch andere Wirkstoffgruppen wie Antidepressiva oder Mittel gegen Epilepsie verordnen.
Weitere Behandlungsansätze sind zum Beispiel:
- Vitamin B1 bzw. Benfotiamin: Vitamin B1 erfüllt wichtige Aufgaben im Nervensystem. Bei Diabetes kommt es jedoch oft zu einer vermehrten Ausscheidung des Vitamins über den Urin. Ein Mangel kann Nervenschädigungen hervorrufen oder verstärken, sodass ein Ausgleich wichtig ist. Vitamin B1 ist wasserlöslich und die Speicherkapazität im Körper begrenzt. Daher kommt häufig Benfotiamin, die Vorstufe des Vitamin B1, zum Einsatz: Sie ist fettlöslich und kann vom Körper deutlich besser aufgenommen werden.
- Alpha-Liponsäure: Die körpereigene Substanz soll die Nervenzellen durch ihre antioxidative Wirkung schützen und wird in Form von Tabletten oder Infusionen verabreicht.
- Weitere alternativmedizinische Präparate: Im Rahmen einer alternativmedizinischen Behandlung von Nervenschmerzen können zum Beispiel auch bestimmte Schüssler-Salze, homöopathische Komplexmittel oder Präparate mit verschiedenen Mikronährstoff-Kombinationen infrage kommen.
- Nicht-medikamentöse Behandlungsansätze zur Schmerztherapie umfassen zum Beispiel:
- Kälte- und Wärme-Anwendungen
- Elektrotherapie (z. B. TENS)
- Akupunktur
- Psychotherapie bzw. Verhaltenstherapie
Hilfe bei Schäden der Nerven, die die Funktion innerer Organe steuern
Die Folgen einer autonomen diabetischen Polyneuropathie können verschiedene Organe betreffen und sich dementsprechend mit vielfältigen Symptomen äußern. In Abhängigkeit davon, welche Beschwerden genau bestehen, können verschiedene Therapiemöglichkeiten infrage kommen. Grundsätzlich spielen auch hier die allgemeinen Behandlungsprinzipien bei Diabetes (u. a. Einstellung des Blutzuckers, Gewichtsreduktion, Bewegung) eine zentrale Rolle. Weitere Maßnahmen orientieren sich an den vorliegenden Beschwerden – zum Beispiel:
- Bei Herz-Rhythmus-Störungen können unter Umständen spezielle Medikamente erforderlich sein.
- Bei Kreislaufproblemen oder Schwindel beim Aufstehen können zum Beispiel Stützstümpfe Abhilfe schaffen.
- Durchfall kann mit Quellstoffen (Flohsamenschalen) behandelt. Zusätzlich kann kurzzeitig Loperamid eingenommen werden. Dieser Wirkstoff hemmt die Darmtätigkeit.
- Bei einer Verstopfung wird eine Umstellung der Ernährung auf mehr ballaststoffreiche Kost empfohlen. Unter Umständen können Abführmittel (Laxanzien) eingesetzt werden.
- Bei Funktionsstörungen der Bauchspeicheldrüse kann es nötig sein, die Verdauungsenzyme der Bauchspeicheldrüse (Pankreasenzyme) zuzuführen.
- Bei Störungen der Blasenfunktion kann ein spezielles „Blasentraining“ Besserung bringen. Das beinhaltet zum Beispiel, dass man nur zu bestimmten Uhrzeiten zur Toilette geht, um die Blasen zu entleeren. Darüber hinaus können mitunter auch Medikamente sinnvoll sein. Bleibt trotzdem zu viel Urin in der Blase, muss die Blase mit einem Katheder entleert werden.